Vom Urknall bis zum Ruhestand

Naturwissenschaftliche Spitzfindigkeiten meiner SchülerInnen in Anekdoten

Tiefsinnige oder skurrile Äußerungen von SchülerInnen bilden die Grundlage kurzer Glossen. Wortwitzige Erklärungen des Autors gewährleisten, dass der Leserin, dem Leser, ein Licht aufgeht. Mit einem lachenden und einem analytischen Auge blicken SchülerInnen und ihr Lehrer tief hinter das Wesen der Dinge.

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Aus zweiundsechzig kurzweiligen Episoden entsteht ein Bild vom Schulalltag, das sich wohltuend von der derzeit so oft zelebrierten Burnout-Kommunikation so mancher Lehrer unterscheidet. Man merkt, dass das Buch nicht von einem geschrieben wurde, der froh ist endlich draußen zu sein, sondern von einem der das tat, was er mochte und das mag, was er tat. (Norbert Schermann)

Auf knapp 160 Seiten breitet Vesely seine 38-jährige Lehrerlaufbahn offen vor seinen Lesern aus. Dieses Buch vergleiche ich mit einer köstlichen Mahlzeit, die ich ausnahmslos jedem wärmstens empfehlen kann.  (Manuel  Jindrak)        

LESEPROBEN:

Vom Urknall  –  ein Vorwort

Auf meinem Weg zur Schule traf ich einen ehemaligen Schüler. Wir freuten uns, einander nach vielen Jahren wieder zu sehen. Nach einigen belanglosen Höflichkeiten fragte er mich, ob ich immer noch am GRG 21 in der Franklinstraße 21 unterrichten würde. Als ich bejahte, wollte er wissen, ob es nicht langweilig sei, immer das Gleiche zu tun. »Nein«, antwortete ich, »ganz und gar nicht. Ich unterrichte ja keine Gegenstände, sondern Schülerinnen und Schüler. Der Unterrichtsstoff ist doch nur Anlass, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen.« Ich kam in Fahrt. Wie konnte man meinen Beruf so verkennen. Auch von der fachlichen Seite besehen war er spannend. Mit meinen SchülerInnen konnte ich im wahrsten Sinne des Wortes über Gott und die Welt sprechen. Vom Urknall bis zur Intelligenz des Menschen reichte das Spektrum der Themen, von der Schwerkraft bis zur Halbleitertechnik, vom Wasserstoff bis zur DNA. In meinen Fächern explodierte die Menge des Wissens regelrecht. In der Biologie ging es um das Leben selbst und um Fragen des Überlebens. Wie konnte das nicht spannend sein? Und kann jemand, der von Physik und Chemie nichts weiß, ein funktionierendes Weltbild haben? Wohl kaum. Ich verteidigte mein Tun meinem Exschüler gegenüber zehn Minuten lang, so lange dauerte nämlich die Fahrt von meinem Wohnort nach Wien Floridsdorf. Dann verabschiedete ich mich und stieg aus. Er blieb im Zug, als Schaffner zwischen Stockerau und Wien Meidling.

Ich verbrachte mein ganzes Berufsleben an dieser Schule und mir wurde nie langweilig. Die SchülerInnen, Direktoren, Eltern und KollegInnen sorgten für Spannung in meinem Leben. Die Reihung entspricht dem Grad ihrer diesbezüglichen Wirkung auf mich. Den Einfluss diverser BildungspolitikerInnen konnte ich ausblenden.

Wenn ich heute, da ich schon einige Zeit im Ruhestand bin, auf meine aktive Zeit als Lehrer und Kollege zurück denke, entstehen hauptsächlich bunte Bilder in freundlichen Farben vor meinem geistigen Auge. Die vielen schlechten Erlebnisse, die mir natürlich auch nicht erspart blieben, habe ich umgewandelt. Sie wurden in die aktualisierte Version meines Betriebssystems eingebaut. Darum werden sie in diesem Buch nicht ausdrücklich erwähnt. Wovon ich aber schreibe, sind die zahllosen netten oder sogar freundschaftlichen Begebenheiten zwischen den Schülerinnen und Schülern und mir. Ich bedanke mich bei ihnen für fast 38 Jahre, in denen sie neben meiner Familie Mittelpunkt meines Lebens waren.

Wo soll ich also beginnen? Mit dem Anfang werden Sie sagen. Aber wo wollen wir diesen Anfang festsetzen, oder gibt es einen naturgegebenen? Einigen wir uns auf den Urknall, den Big Bang, wie die These von der Entstehung der materiellen Welt spaßeshalber genannt wurde, um sie zu verspotten. Nun habe ich in meiner Tätigkeit als Prüfer mehr als eine unmögliche These hören oder lesen dürfen, bei der sich der Spaß eigentlich hätte aufhören müssen. Er hat sich aber nicht aufgehört, weil ich immer einen Notizblock dabei hatte, um Merkenswertes zu notieren. Diese bisherigen Anekdoten breite ich hier vor Ihnen aus. Das Wort Anekdote kommt vom griechischen anekdotos und bedeutet ›noch nicht herausgegeben‹. Was ich also tatsächlich vor Ihnen ausbreite sind meine Erinnerung, meine Zitatensammlung und einige Geschichten, die ich daraus gemacht habe.

Im Unterricht wollte ich mit den SchülerInnen den Anfang des materiellen Alls besprechen. Da ich meinte, vierzehnjährige Gymnasiasten müssten doch schon einiges über den Urknall wissen, fragte ich sie danach. Aber alle blickten nur ruhig in Erwartung der Dinge, die da kommen mochten. Genau so würde ich den Beginn vom Beginn pantomimisch darstellen, nichts als gespannte Ruhe und stille Vorfreude. Auf meine zweite Aufforderung hin, doch etwas über den Begriff Urknall zu sagen, meldete sich endlich Bernhard mit den Worten: »Meine Schwester hat einen Urknall!«

 

Cool Runnings

Woran denken Sie, wenn Sie Jamaika hören? An Sonne, Sand und Meer, Mädchen, Reggae und Rum? Typisch! Ich denke an Usain Bolt, Yohan Blake und Shelly-Ann Fraser-Pryce. Das sind die schnellsten Sprinter der Welt. So stelle ich mir Jamaikaner und -innen vor, jung und sehr, sehr gut zu Fuß. Manche heißen sogar Bob und Harry und sind cool und running.

Ich denke aber auch an Theresa. Sie war auch jung und aus Jamaika. Genauer gesagt war sie fast 10, und ich war ihr Klassenvorstand. Aber ich war es, der rannte. Ich rannte wochenlang ihren Dokumenten nach, die ich hätte einsehen müssen. Sie hatte kein Einsehen. Sprinterqualitäten waren hier nicht gefragt. Ich war der Marathon Man, sie dafür cool. Wenn ich zu ihr sagte: »Theresa, komm bitte zu mir an die Tafel«, durfte ich für die nächsten zehn Minuten nichts geplant haben. Sie tanzte Hüften schwingend durch die Bankreihen, fuhr diesem durch die Haare, spielte mit jener Give-me-Five und trudelte irgendwann bei mir ein. Ein fröhliches Kind, lichter Nougat, aber ohne jeden Sinn für österreichischen Bürokratismus. Das Einsehen der wichtigsten Dokumente zog sich mit der lieben Theresa in die Länge. Hier ein Auszug aus meinem Gedächtnisprotokoll:

»Theresa, du musst mir deinen Meldezettel bringen.«

»Ist gut.«

Am nächsten Tag: »Theresa, zeig mir bitte deinen Meldezettel.«

»Ach ja, morgen. OK?«

Tags darauf: »Theresa, wo ist dein Meldezettel?«

»Ich habe keinen Meldezettel.«

»Sicher hast du einen Meldezettel. Frag deine Eltern.«

»Ist gut.«

Nächste Stunde: »Was ist ein Meldezettel?«

»Das ist ein Zettel, auf dem dein Name und die Adresse steht, an der du gemeldet bist.«

»Wozu brauche ich einen Meldezettel?«

»Damit kannst du mir zeigen, wo du wohnst.«

»Komm mit mir nach Hause, ich zeig dir, wo ich wohne!«

Du

Waren Sie mit Ihren LehrerInnen per Du? Ich nicht. Gar kein Gedanke. Meine Volksschullehrerin habe ich zwar als liebe Frau in Erinnerung. Sie war dennoch eine Respektsperson, zu der eine gewisse Distanz angebracht erschien, auch für meine Eltern. Ich kann mich nicht erinnern, dass über sie zu Hause jemals despektierlich gesprochen wurde. Auch hätte ich ihre Entscheidungen nie in Zweifel gezogen.

Waren Sie mit Ihren Eltern per Du? Ja? So selbstverständlich ist das nicht. Ich kenne genügend Leute, die ihre Eltern noch ehrfürchtig mit Sie angesprochen haben.

In vielen Volksschulen ist es heute üblich, dass die SchülerInnen die LehrerInnen duzen. Das schafft möglicherweise Nähe und fördert vielleicht die persönliche Beziehung, ich weiß nicht.

Als junger Lehrer, in den 1970ern, wurde ich selbstverständlich von den Erstklasslern gesiezt. Da gab es keine Diskussion. In letzter Zeit schlich sich aber das Du in die Klassenzimmer, nicht zur Freude aller ProfessorInnen.

Klassenvorstand einer ersten Klasse zu werden, ist vermutlich wie ein blind date. Ich hatte noch nie eins, darum das Wort vermutlich. Meine neu übernommenen Schützlinge, von denen hier die Rede sein wird, waren von einmaligem Wesen. Zum Glück, muss man sagen. Sie hatten mich nämlich bald so weit, Sisyphus zu beneiden. Dieser musste nur einen Stein bewegen. Meine Schutzbefohlenen schienen aus einer seltsamen Kautschukmasse zu bestehen, nicht auf Dauer formbar, aber zäh.

Gleich zu Schulbeginn wies ich sie auf den Umstand hin, dass die LehrerInnen dieser Schule mit Sie angesprochen werden wollten und wenn möglich mit Frau oder Herr Professor. Ich hatte Verständnis für die Kleinen, für sie war ja alles so neu. In jeder Stunde kam eine andere Lehrperson in die Klasse und jede hatte ihren speziellen Modus. Aber alle wollten das Sie hören. Und alle Kinder sagten Du, ausnahmslos. Und ich hätte so gerne ein Indiz für Lernfähigkeit meiner Lieben gefunden. Es wurde Oktober, es wurde November und die Lehrer wurden weiterhin fröhlich geduzt. Da riss mir der Geduldsfaden. Ich bat meine Kinder um Aufmerksamkeit, sprach langsam und deutlich zu ihnen: »Eure Lehrerinnen und Lehrer wollen von euch mit Sie angesprochen werde! Habt ihr das verstanden?« – »Du auch?«, hörte ich jemanden fragen.

Wenn etwas schief geht, suche ich den Fehler zuerst bei mir selbst. Vielleicht hatten sie nicht verstanden, dass ich auch ein Lehrer war. Ich hatte mich bei ihnen ja als Klassenvorstand vorgestellt, als Kontaktperson in allen Lebenslagen. Und nun bestand ich unwirsch auf mehr Distanz.

Ich gab nicht auf. Sisyphus kam mir wieder in den Sinn. Sie werden sich fragen, warum Lehrer so hartnäckig sein können. Sie bekommen ja keine Erfolgsprämie. Nun, mir ist das auch ein Rätsel. Um meinen kleinen Lieblingen zu helfen, hatte ich die Klasse, in der ich bisher Klassenvorstand war, gebeten, Partnerklasse meiner neuen zu sein. Als sich einige SchülerInnen dieser Fünften vorstellten, fiel ihnen auf, dass mich die Erstklassler duzten. Eine von ihnen schrieb daraufhin »Lehrer bitte mit SIE ansprechen« an die Tafel, worauf ab diesem Moment die FünftklasslerInnen gesiezt wurden, ich aber weiterhin das vertraute Du hörte.

In den Parallelklassen dürfte es nicht viel anders gelaufen sein. Als ich nämlich kurz nach diesem Vorfall durch Floridsdorf ging, hörte ich in der Ferne ein Rufen: »Frau Professor, Frau Professor!« Oh je, dachte ich, da wird eine arme Kollegin gejagt. Das Rufen kam näher, zwei Erstklasslerinnen, deren Biologielehrer ich war, stellten mich und fragten noch ganz außer Atem: »Frau Professor, warum bleiben Sie denn nicht stehen?«

Wie sich herausstellte, ist auch einer Kollegin, nämlich der Klassenvorsteherin der Hetzjägerinnen, der Kragen geplatzt. Sie übte mit ihren SchülerInnen die Anrede, die sie so vermisste: »Frau Professor, Frau Professor, Frau Professor«, musste die Klasse im Chor üben. Und jetzt hatten sie’s kapiert.

An dieser Stelle möchte ich Ihnen nochmals versichern, dass alle von mir geschilderten Vorkommnisse wahr sind. Meine Erinnerung spielt mir keinen Streich, da ich mir immer sofort nach dem Erleben einer skurrilen Geschichte Notizen machte.

Ein Schlüsselerlebnis

Was tun, wenn du mit einem Schwarm von Zehnjährigen gesegnet bist, der mehrheitlich deinen Unterricht für interessant und lustig hält, in dem aber einige Spaßvögel sind, die ihren Schnabel aufreißen, wann immer es ihnen beliebt? Disziplinieren! Was sonst? Als ich mich wieder einmal in treuer Erfüllung des Stundenplans auf den Weg zu besagter Klasse machte, nahm ich mir vor, ihr heute den Weg von der Spaß- zur Leistungsgesellschaft zu zeigen. Mein Plan war, die kleinste Disziplinlosigkeit sofort abzustellen. Wie Zeus wollte ich Blitze schleudern, treffsicher und gerecht. Doch als die Biologiestunde ihren Lauf nahm, konnte ich kaum glauben, was ich erlebte: Lämmchen saßen vor mir, reinweiß, zuvorkommend in ihrem Benehmen, sachdienlich in ihren Wortmeldungen, freundlich lächelnd bei allen von mir gesetzten Aktionen. Ihr Verhalten gab mir Rätsel auf. Ich war jedoch froh, es mit einer geläuterten, einsichtigen, lieben Klasse zu tun zu haben. Als der Gong das Ende der Schulstunde anzeigte, verabschiedete ich mich von meiner Musterklasse und wollte den Raum verlassen. Obwohl ich die Schnalle der Klassentüre nach unten gedrückt hatte, gab die Türe nicht nach. Ich krachte geradezu in sie hinein. »Wer hat uns denn eingesperrt?«, fragte ich ganz verwirrt. Eines meiner Lämmchen hob schüchtern die Hand und sagte: »Das waren Sie, als Sie hereingekommen sind!«

Amöboide Wiener Lyrik

In einer Biologiestunde einer 2. Klasse sprachen wir über Amöben. Das sind einzellige Lebewesen, die keine feste Körperform haben. Sie bewegen sich durch Veränderung der Zellform fort. Beim Fressen umfließen sie organisches Material und nehmen es in ihren Körper auf. Ich erzählte den Schülerinnen und Schülern, dass unsere Weißen Blutkörperchen den Amöben in diesen Belangen ähnlich sind. Auch sie haben eine wandelbare Form und sind erstaunlicherweise, obwohl sie Zellen unseres Körpers sind, frei beweglich. Wegen ihrer Ähnlichkeit mit Amöben bezeichnet man ihre Lebensweise als amöboid. Ich wies die Kinder auf die Endung –oid hin, welche die Bedeutung von ›ähnlich wie‹ hat und vom griechischen eidos, dem Wort für Gestalt, kommt. Ich fragte, ob ihnen nicht ein anderes Wort mit -oid bekannt wäre und hoffte, dass jemand Geoid oder Ellipsoid sagen würde. Florentin kannte das Wort »Oida«.

Ich kannte das Wort auch, nämlich von einem Gespräch, das ich erstens zwischen zwei Halbwüchsigen und zweitens zwischen Floridsdorf und dem Praterstern in der S1 mithören durfte. Das Gespräch lautete:

»Oida!« – »Oasch!« – »Oasch, Oida!« – »Oida, Oasch!«

In der Station Praterstern musste ich umsteigen und hatte in der U1 Richtung Favoriten, in den Tiefen Wiens, genügend Zeit die gehörte Wortfolge zu bewerten. Was Sie nicht wissen können, in mir schlägt das Herz eines Lyrikers. Und an lyrische Dichtung musste ich beim Hören dieser rhythmischen Sprachspiegelung denken. Für mich ist moderne Lyrik mehr als Poesie. Denken sie nur an:

Stockerau           Floridsdorf

Stockerau           Floridsdorf

Stockerau          Stockerau

Floridsdorf         Floridsdorf

Stockerau

Lyrik geht über Stockerau hinaus! Das nicht Ausgesprochene als Wirkgedanke, der Verzicht auf den Reim, symbolisch für das dichterische Versagen (was muss sich der Dichter nicht alles versagen), macht Lyrik aus. Obwohl sich kaum ein Wort besser auf Floridsdorf reimt als Floridsdorf oder Stockerau auf Stockerau.

Das Kunstwort Oida, um zu unserem Beispiel zurückzukommen, als verstärkenden Kontrapunkt einzusetzen, fand ich wegweisend, wegweisend nicht weg weisend im Sinne von abstoßend. Die Diskutanten stritten nicht etwa, das war am Tonfall zu hören, Oida bekräftigte eindeutig das Oasch. Po-esie wie sie im Gedichtband steht. Im ersten Teil der Zwiesprache projizierten die Künstler, jeweils mit einem einzigen Wort, ihre gefühlte Innerlichkeit auf den nicht ausgesprochenen Wirkgedanken des wienerischsten aller Wiener Worte, dem ›Leiwand‹. Wo Wiener in Dichtestpackung beisammen sind, und sei es in einer Schnellbahn, ist es leiwand.

Im zweiten Teil dieser Leinwandprojektion, in dem beide Worte, also beide codierte Dichteschwankungen des Äthers, offenbar zum Zweck der Wirkungssteigerung direkt hintereinander in die Atmosphäre gesetzt wurden, wandelte sich das Hören dieser Kotwörter in Verstehen, in amöb-oida-les Kunstverstehen.

Im Inneren einer Schnellbahngarnitur der Simmering-Graz-Pauker AG, zwischen dem Floridsdorfer Festland und der Donauinsel schwebend, einer imaginär-metropolischen Kunstinstallation, einer spontanen, verbalen Leiwandperversion dieser Qualität beizuwohnen, kann dir nur in Wien passieren. Des gibt’s halt nur in Wean, Oida.

Rosen ohne Dornen

Einmal wollte ich meinen Schülerinnen und Schülern den Unterschied zwischen Dornen und Stacheln erklären. Ich betrat ein Blumengeschäft, um dafür als Anschauungsobjekt eine Rose zu kaufen; eine Rose ohne Dornen, denn Rosen haben, im Unterschied zur Volksmeinung, niemals Dornen. Sie haben Stacheln. Das sind spitze Vorsprünge an Blattachsen oder Blättern, die aus oberflächlichen Geweben wachsen, die man deshalb leicht abbrechen kann. Dornen hingegen sind umgebildete Organe. Die Dornen der Kakteen entstanden beispielsweise aus Blättern. Ich suchte nach einer Rose mit ganz besonders großen Stacheln. Das war schwierig, da die angebotenen Rosen kleine oder winzige hatten. Wegen des für meine Zwecke mangelhaften Angebots konnte ich mich lange nicht entscheiden. Eine ältere Verkäuferin beobachtete mich aufmerksam; zuerst stumm. Aber beim Einpacken des stachelbewehrten Lehrmittels, für das ich mich letztlich entschieden hatte, konnte sie nicht mehr länger an sich halten und sagte: »Aber eines muss ich Ihnen schon sagen, lieber Herr, die Frauen, die das verdienen, bemerken das gar nicht!«

Fahrenheit 35

Haben Sie schon von dem Mann gehört, der aufgrund des Rates seines Arztes eine fürchterliche Erkältung bekommen hat? In der Sprechstunde sagte er: »Herr Doktor, i hab d’ Hurst.« – »Dann trinken Sie am besten eiskaltes Wasser«, war die wohlmeinende, aber fatale Anweisung des Mediziners. Ein Missverständnis. Man sollte, wenn kaltes Wasser im Spiel ist, lieber nachfragen.

Im Physikunterricht meiner (verhaltens-)kreativen Zweitklassler schien es mir notwendig, die Themen Adhäsion – Kohäsion und Trägheit öfters aufs Tapet zu bringen. Letzteres war zwar ihr ureigenstes Thema, da sie sich zu gar nichts aufraffen konnten, die Trägheit als Beharrungsvermögen blieb ihnen aber lange ein Buch mit sieben Siegeln. Die Trägheit ihrer Masse zeigte sich jedes Mal, wenn ich ihnen etwas Neues vorschlug. »Wisst ihr was«, begann ich des Öfteren einen Satz, »machen wir…«. – »Nein«, schrien sie augenblicklich, ohne zu wissen, worum es eigentlich gehen sollte.

Also schrieb ich einen Sketch. Den übten wir mit verschiedenen Besetzungen in vielen Physikstunden zu Stundenbeginn, bis der letzte von ihnen alle Pointen verstanden hatte. Der Sketch hieß ›Fahrenheit 35‹ und spielte an einem Tiroler Bergsee.

Ein amerikanischer Physiker (A) sitzt mit einer Angel an besagtem eiskalten See und misst mit einem Thermometer die Wassertemperatur. Als ein einheimischer Spaziergänger (B) dazukommt, entwickelt sich folgendes Gespräch:

A:  35!

B: 35?

A:  35! Fahrenheit – Amerika!

(Erklärend zum Spaziergänger, der sich darauf hin bereit macht, ins Wasser zu springen)

B:  Sie fahren heit nach Amerika?

A:  Nein, Grade!

B:  Jetzt gerade? (Kopfschüttelnd zu sich selbst)

      Dabei sitzt dieser Anglo-Amerikaner hier vor mir.

A:  Dieses Thermometer stammt aus Amerika.

B:  Ich bin Tiroler!  (Springt ins Wasser)

      Hilfe! Das Wasser ist ja saukalt!

      (Streckt die Arme Hilfe suchend in die Höhe)

A:  Warum schreien Sie denn so?

B:  Ich habe keinen Grund!

A: Dann hören Sie auf grundlos zu schreien, Sie verschrecken ja alle Fische. Dann beißen sie nicht.

B:  Die sollen mich ja auch nicht beißen.

(Klettert aus dem Wasser und schüttelt sich)

A:  Die Trägheit der durch Rotation Ihres Körpers beschleunigten Wassertropfen lässt einige tangential wegspritzen.

      Dank der Adhäsion zwischen den Teilchen des Wassers und denen der Haut bleiben aber einige Tropfen haften.

      Durch die Verdunstungskälte könnte Ihre Körpertemperatur bald dramatisch sinken.

B:  Ich bin nass und friere.

A:  Sie haben meine Worte sehr gut ins Tirolerische übersetzt. Ich bin beeindruckt.

B:  Sie werden gleich von der Trägheit der beschleunigten Hand eines Tirolers beeindruckt sein.

      (Gibt ihm eine Ohrfeige)

Die Besprechung der Themen Aggression, Schmerz und Hämatom erfolgte in der anschließenden Biologiestunde.

Engel zielen richtig

Was wünschen Sie sich zu Weihnachten? Den Weltfrieden? Alles andere hat man ja schon. Seit ich nicht mehr ans Christkind schreibe, begnüge ich mich mit dem, was meine Familie zu erfüllen vermag, mit Schwerpunkt auf Bescheidenheit. Obwohl, das mit dem Weltfrieden wäre schon was. Ein weitgestecktes Ziel ja, unrealistisch auch. Na gut, dann zielen wir eben auf etwas Erreichbares. Gewaltfreie Erziehung, wie wäre es damit? Es wäre doch gelacht, wenn es uns nicht gelänge die Erziehenden davon zu überzeugen, dass es keine g’sunde Watschen geben kann.

Über Erreichbarkeit von Zielen ist schon viel geschrieben worden. Die Regeln für die Zielsetzung, für die Zielformulierung, sind logisch erklärbar. In der Praxis misst man ihnen aber wenig Bedeutung bei. Nehmen wir zum Beispiel Clementine. Clementine, die Sanfte, ist frustriert und zwar heftig. Ihr Programm lautet: Keine Gewalt in der Familie. Sie kämpft gegen Gewalt in der Familie, schreibt gegen Gewalt in der Familie und protestiert gegen Gewalt in der Familie. Und das schon seit vielen Jahren. Sie kommt aber ihrem Traum von einem friedlichen Miteinander nicht näher. Macht sie womöglich etwas falsch?

Machen wir einen kleinen Test: Denken wir jetzt alle gleichzeitig an keine Ohrfeige. Achtung – fertig – los! – – – Woran haben Sie gedacht? Ich habe in Gedanken jemandem eine herunter gehauen. Kommt Ihnen ein Verdacht? Ich glaube, unsere Clementine schätzt die Fähigkeit des menschlichen Gehirns falsch ein. Sie meint vermutlich, es könne die Zukunft in negativen Bildern ausmalen. Das kann es aber nicht. Wenn das Gehirn das Wort Ohrfeige wahrnimmt, denkt es an eine Ohrfeige, in welchem Kontext diese Watsche auch immer geboten wurde. Ziele muss man also positiv formulieren. Verneinungen wirken nicht.

Wenn alle Leute wüssten, was das Wort positiv in diesem Zusammenhang bedeutet, hätten wir eine gute Chance unser Ziel zu erreichen. Positiv heißt nämlich nicht gut und negativ nicht schlecht. Was sollte auch an einem positiven AIDS-Test gut sein? Positiv heißt hier Ja, negativ Nein, nicht mehr und nicht weniger. Das lateinische Wort negare bedeutet verneinen, nicht verschlechtern. Falls Sie überprüfen wollen, ob Sie ein negativ formuliertes Ziel erreichen können, rufen Sie ein Taxi und sagen: »Bringen Sie mich bitte nicht zum Rathaus!« Und warten Sie was geschieht.

Bedeutet Gewalt für sich allein genommen etwas Schlechtes? Negativ. Das Wort hat die indogermanische Wurzel ual und bedeutet stark sein, das damit verwandte lateinische valere bei Kräften sein. Schlecht? Warum besetzen wir Worte so gerne mit schlechten Bedeutungen? Womöglich ist sogar eine Ohrfeige beziehungsweise eine Watsche etwas Gutes? Was spricht das etymologische Wörterbuch? Eine Watsche ist ›was scharf‹ macht, ursprünglich ein Gedächtnis schärfendes Mittel. Wenn, zu Zeiten in denen kaum jemand lesen und schreiben konnte, der Vater dem Sohn, sagen wir, die neue Grundstückgrenze zeigen wollte, nahm er ihn mit zu besagter Stelle, und gab ihm eine kräftige Watsche. Damit hat er dem Sohn die neue Grenze hinter das Ohr, wo das Gedächtnis vermutet wurde, geschrieben. Starke Emotion, ausgelöst durch Schmerz oder Zorn, schärft nämlich das Gedächtnis.

Um in der Vorweihnachtszeit den Weltfrieden wenigstens in der Schulklasse ausbrechen zu lassen und der Gewaltfreiheit, wie sie das des Lesens unkundige Volk versteht, mehr Raum zu geben, spielte ich mit meinen Zehnjährigen das Engerl-Bengerl-Spiel. Jedes Kind sollte ein Monat lang auf ein anderes Kind aufpassen, es behüten. Es sollte ihm behilflich sein und ihm hie und da mit einer Kleinigkeit Freude machen. Eine Regel aber gab es: Das Engerl durfte sich dem Bengerl unter keinen Umständen zu erkennen geben. Jede gute Tat sollte im Geheimen geschehen. Erst in der letzten Unterrichtsstunde vor Weihnachten, wenn jedes Bengerl von seinem Engerl ein Geschenk bekommen sollte, würde dieses Geheimnis gelüftet werden. Jedes Kind sollte gleichzeitig Engerl und Bengerl sein. Davon versprach ich mir einen besonders guten Effekt: Wie schön ist es zu wissen, dass man behütet ist. Das Los hatte zu entscheiden, wer wessen Schutzengerl werden sollte. In der Klasse gab es ein besonders kleines Mädchen und einen besonders großen Rowdy, seinem Körperbau und seinem Wesen nach. Sie ahnen schon was passierte. Als die besagte Schülerin, den Namen des wilden Raufers auf ihrem Los sah, nahm sie das mit einem kaum merklichen Zucken zur Kenntnis, schloss kurz die Augen, errötete leicht und setzte sich, beladen mit ihrem schweren Los, auf ihren Platz. Ihr Blick war nach innen gerichtet. Sie hatte ein klares Ziel vor Augen.

Kurz vor Weihnachten wurde ich Zeuge folgender Szene: Kaum hatte die Pause begonnen, stürzte sich der notorische Gewalttäter auf einen Mitschüler, um diesen zu verdreschen. Da sprang das winzige Mädchen blitzschnell auf ihn zu und haute ihm eine schallende Watschen herunter. Der kleinste aller Flöhe attackierte den mächtigsten aller Löwen vor der ganzen Klasse. Der Angegriffene blieb wie angewurzelt stehen, die Bewegung seines massigen Körpers fror ein, als ob eine himmlische Macht auf der großen Zeitmaschine die Stopp-Taste gedrückt hätte. Ich deutete seine starre Haltung als Ruhe vor dem Sturm, näherte mich schnell dem Standbild und sah im Gesicht des Geschlagenen ein verzücktes Lächeln und zwei vor Staunen weit aufgerissene Augen. Seinem Mund entströmte ein gehauchtes: »Jetzt weiß ich, wer mein Schutzengerl ist!«

Rehabilitation

Für manche Schüler ist Disziplin ein Fremdwort. Nämlich für die gebildeten, die wissen, dass das Wort Disziplin, auf Deutsch Selbstbeherrschung, von discipulus, dem lateinischen Wort für Schüler, kommt. Discipere, also geistiges Aufnehmen, ist die Tätigkeit des Schülers. Ein Fremdwort ist ein aus einer fremden Sprache übernommenes Wort, dessen Herkunft noch erkennbar ist. Mit der Disziplin unserer Schülerinnen und Schüler ist es also weit her.

Manche sollten sich aber selbst beherrschen, wenn es um den Einsatz von Worten geht, die ihrem Verstande fremd sind. Zumindest Erwachsene täten gut daran. Aus Kindermund klingen Vokabelfehler meist lustig. So erklärte mir einmal ein zehnjähriger Knirps im Brustton der Überzeugung, dass die Zahnfäule auch Caritas heiße.

Eine Steigerung erfährt die Komik einer Fehlübersetzung, wenn die aufgestellte Behauptung absolut, also für sich allein genommen, richtig ist, nicht aber in Relation zum Thema der Diskussion, aus der sie stammt. Wie zum Beispiel ein Satz aus dem Mund der zwölfjährigen Ines: »Ökonomisch ist«, sagte sie, »wenn man gemeinsam eine Messe feiert.« Richtig. Wenn man aber bedenkt, dass es in diesem Gespräch um die Trennung der Begriffe Ökonomie und Ökologie ging, brachte ihr Erklärungsversuch eher Verwirrung auf die bewohnte Erde. ›Bewohnte Erde‹ ist übrigens die genaue Übersetzung von Ökumene.

In wahre Begeisterung können mich Wortakrobaten versetzen. Einmal definierte ein Schüler in einem Prüfungsgespräch den Begriff Rezeptor mit einem einzigen Wort, was für seine verbale Begabung sprach. Das Wort war Arzt. Sie verstehen, Arzt für Rezeptor. Wie genial.

Für viele unserer Schulkinder ist Selbstbeherrschung kein Fremdwort, sie beherrschen selbst komplizierte Fachausdrücke. Dadurch wirken sie gebildet und genießen superkalifragilistisch expiallegorisch hohes Ansehen. Ich möchte aber die SchülerInnen rehabilitieren, deren Stärke in anderen Disziplinen liegen. Ob mir das mit folgender Geschichte gelingen kann, bleibt aber fraglich.

Als wir im Unterricht durch eine dumme Bemerkung gestört wurden, ermahnte ich den mutmaßlichen Bösewicht: »Georg, lass den Blödsinn!« Der Angesprochene verteidigte sich: »Das war nicht ich, das war der Klaus!« Als ich einige Minuten später Klaus dabei ertappte, wie er die dumme Bemerkung wiederholte, sagte ich zu Georg: »Georg, jetzt bist du rehabilitiert!« – »Warum denn, was hab’ ich denn jetzt schon wieder angestellt?«

Horrorszenarien

»Isobaren«, schrieb Alexander aus der 3C in einem Physiktest, »sind die Linien eines Zyklopen!« Wie soll man eine derartige Antwort bewerten? Wusste der Schüler etwa mehr als ich? In Hesiods Theogonie sind Zyklopen Gewitterdämonen. Aber waren sie gestreift?

Hatte ich meine Position als Vertrauensperson missbraucht, um meine SchülerInnen mit Horrorszenarien zu schrecken. Das war eigentlich nicht meine Art. Aber irgend etwas muss in dieser Richtung passiert sein, denn kurz darauf geschah in einer anderen dritten Klasse Folgendes: Ich wollte den SchülerInnen das Tiefdruckgebiet erklären und malte dazu ein großes T an die Tafel. Dann zeichnete ich einige Isobaren herum, beschriftete eine mit ›1000 Hektopascal‹, eine weitere mit ›995 hPa‹, bezeichnete die Richtung des ins Zentrum strömenden Windes mit Hilfe einiger gekrümmter Pfeile und gab dem Ganzen die Überschrift ›Zyklon‹. Während ich zeichnete war Florian auf seinem Sessel tiefer und tiefer gerutscht, er fühlte offenbar das Tiefdruckgebiet direkt über sich. Als ich fertig war, fragte er mit ängstlichem Blick: »Gibt es so etwas Gefährliches auch in Österreich?« Dabei hatte ich ihm gar keine Niederschläge prognostiziert. Vielleicht war Florian ein übertrieben empfindsamer Mensch, eine Mimose, mit einer Animosität gegen den Wind, zu dem die Griechen anemos sagten. Auf Fremdländisch klingen harmlose Begriffe manchmal ja auch schrecklich. Dabei heißt kyklos einfach Kreis.

Wäre die Erde ein ruhender Ort, könnten wir manche physikalischen Phänomene vielleicht besser verstehen. Da sie aber rotiert, drehen sich sogar Windrichtungen. Und wie sie sich drehen!

Beim nächsten schriftlichen Test in Florians Klasse wollte ich noch eins draufsetzen und fragte: »Wie sind die Windverhältnisse in einem Tiefdruckgebiet auf der südlichen Hemisphäre der Erde?« Dass sie im Gegensatz zur nördlichen Erdhälfte im Uhrzeigersinn verlaufen, sollte die Klippe in dieser Frage sein. Doch diese Klippe konnte Paul mit einem Satz überwinden und der lautete: »Gar nicht, denn das Tief ist auf der nördlichen Hemisphäre.«

Tiefdruckgebiete lagen meinen SchülerInnen nicht. So kam ich einer Schülerin mit einer Frage zum Hochdruckgebiet entgegen. Sie hatte sich auf die Prüfung gut vorbereitet. Sie wusste nämlich, dass seine Winde auf der nördlichen Hemisphäre im Uhrzeigersinn vom Zentrum wegwehen. Aber warum es auf der Südhemisphäre anders sein sollte, ließ sie grübeln. Nach langem Nachdenken rang sie sich zur Antwort durch: »Weil dort die Uhren anders gehen!«

Pensionsstress

Ich wohne in LE, in Langenzersdorf, und zwar gerne. Oft spaziere ich durch unsere Marktgemeinde, die zwischen dem Bisamberg und der Donau vor Wien liegt. Seit ich im Ruhestand bin, habe ich noch mehr Zeit dazu, und auch Zeit da und dort zu verweilen. Sogar das Einkaufen, das ich meistens für unseren Zweipersonenhaushalt übernehme, genieße ich. In einem Supermarkt vor den gefüllten Regalen zu stehen in der Gewissheit, alles kaufen zu können, zeigt mir, dass ich auf die Butterseite des Lebens gefallen bin. Es geht mir gut. Ich bin ein Froher, das ist übrigens auch die Wortbedeutung meines Familiennamens. Und ich plaudere gerne mit Freunden und Bekannten. In dem kleinen Ort, wo jeder fast jeden kennt, gibt es auch genügend Gelegenheit dazu. Viele LangenzersdorferInnen waren meine SchülerInnen, sogar der Bürgermeister. Da treffe ich immer jemanden zu einem kleinen Plausch. Neulich war ich wieder unterwegs.

»Grüß Sie, Herr Vesely!« – »Guten Tag, Frau Mayer, wie geht es Ihnen?« – »Muss gehen, und selbst?« – »Danke, mir geht es sehr gut!« – »Als Pensionist haben Sie sicher einen gewaltigen Stress, net?« – »Aber woher denn, ganz im Gegenteil. Ich habe jetzt viel mehr Zeit. Früher ging ja alles neben dem Beruf her. Jetzt bin ich wirklich entschleunigt.« – »Erzählen S‘ mir nichts. Mein Mann ist auch schon in der Pensi, der hat einen Terminkalender wie ein Generaldirektor. Immer unterwegs.« – »Bei mir ist das nicht so.« – »Und haben Sie den Pensionsschock schon überwunden?« – »Tut mir leid, widersprechen zu müssen. Ich habe keinerlei Schock erlitten. Das letzte Schuljahr habe ich gewissermaßen als Ehrenrunde gestaltet. Ich habe Abschied vom Berufsleben genommen und hatte genügend Möglichkeiten mich auf die neue Lebensphase einzustellen.« – »Na, dann will ich Sie nicht mehr länger aufhalten, Pensionisten haben’s immer eilig. Auf Wiederschauen, Herr Vesely!« – »Auf Wiedersehen, Frau Mayer!«

»Grüß Sie, Herr Oberstudienrat!« – »Grüß Gott, Herr Müller. Oberstudienrat gibt’s kan! Ich bin seit Neuem ›in Ruhe‹.« – »A Pensionist! Willkommen im Club.« – »Als Beamter bin ich nicht einmal Pensionist. Ich wurde in den Ruhestand versetzt. Jetzt habe ich meine Ruhe und, ehrlich gesagt, die genieße ich.« – »San S‘ ordentlich eingesetzt mit Ihre Enkerln?« – »Von Eingesetzt-Sein kann gar keine Rede sein. Ich freue mich jedes Mal, wenn sie uns besuchen.« – »A Wahnsinn, die Gschrappen, die halten Sie sicher auf Trab. Sie san sicher froh, wann Sie’s wieder los san.« – »Nein, wirklich nicht. Ich bin froh, dass sie so nahe wohnen und dass wir sie oft sehen dürfen. Heute werde ich noch mit einer Enkelin Turnen gehen.« – »Ja, der Pensionsstress! Dann will ich Sie nicht länger aufhalten. Leben Sie wohl, Herr Oberstudienrat!«

»Servas Manfred!« – »Servas Bertl!« – »Allerweil im Stress, gö?« – »Na wos!« – »Reißt’s di um in der Pensi?« – »Des kannst annehmen!« – »Na, dann stör ich net länger. Servas!« – »Servas!«